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StVU.info Informationen und Meinungen wider die StraßenverkehrsUnordnung |
Autos, Motorräder, Fahrräder, Fußgänger — wo ist die Ordnung im Straßenverkehr? Manchmal verwirren Schilder, manchmal werden sie ignoriert und oft fehlt einfach die Kenntnis, weil die Fahrprüfung schon so lange her ist oder nie eine gemacht wurde.
StVU.info will helfen, diese Straßenverkehrsunordnung zu lindern. In kurzen Artikeln finden Sie auf dieser Seite Erklärungen, aber auch Meinungen und Tipps, wie sich der Stress auf der Straße, dem Radweg oder dem Fußweg vermindern lässt.
Diese Folge
befasst sich mit dem Konfliktherd „Überholen“.
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Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten im Straßenverkehr führen dazu, dass schnellere Fahrzeuge langsamere Verkehrsteilnehmer überholen. Diese Verkehrssituation gehört zu denen, die besonders unfallträchtig sind. Grund genug, die zugehörigen Regeln und Konflikte einmal genauer zu betrachten.
Neben dem Überholen gibt es weitere Verkehrssituationen, bei denen sich Verkehrsteilnehmer in dieselbe Richtung bewegen, bei denen jedoch nicht von Überholen gesprochen wird.
Zum einen gibt es das Vorbeifahren an einem haltenden oder wartenden Fahrzeug, dass beispielsweise abbiegen will. Dies ist kein Überholen im Sinne der Straßenverkehrsordnung.
Zum anderen gibt es Straßen mit mehreren Fahrspuren in derselben Richtung. Innerhalb geschlossener Ortschaften dürfen sich PKW- und Motorradfahrer aussuchen, auf welcher dieser Fahrspuren sie unterwegs sind. Es können dann rechts und links Fahrzeuge mit der gleichen Geschwindigkeit unterwegs sein. Sie überholen sich nicht, sondern fahren nebeneinander her. Es darf auch rechts schneller als links gefahren werden.
Von dieser Ausnahme abgesehen, muss in Deutschland immer möglichst weit rechts, also auf der rechten von mehreren Fahrspuren gefahren werden. Überholen bedeutet dann, auf die nächste, links liegende Fahrspur auszuscheren, das Fahrzeug zu passieren und wieder auf die rechte Spur zurückzukehren.
Überholvorgänge sollen möglichst kurz dauern. Bei zweispurigen Straßen muss hierfür die Spur des Gegenverkehrs genutzt werden. Überholt werden darf deshalb nur, wenn man wesentlich schneller ist als das vorausfahrende Fahrzeug. Diese Regelung gilt auch auf mehrspurigen Straßen außerhalb von Ortschaften sowie auf Autobahnen. Elefantenrennen sollen so ausgeschlossen werden.
TIPP: Es darf auch beim Überholen nicht schneller gefahren werden, als es die zulässige Höchstgeschwindigkeit angibt. (siehe dazu den Beitrag über Geschwindigkeiten)
Da Überholer und Überholte in gleicher Richtung unterwegs sind, wird für einen Überholvorgang eine Strecke von mehreren Hundert Metern benötigt. Während der gesamten Dauer des Überholvorgangs darf kein Gegenverkehr kommen, auch nicht aus Seitenstraßen. Selbst wenn, z.B. auf einer Autobahn, Gegenverkehr ausgeschlossen ist, darf man bei schlechter Sicht nicht überholen, zumindest als Fahrer eines LKW.
Beim Überholen muss aus Sicherheitsgründen ein „ausreichender“ Seitenabstand zum Überholten (und zu eventuellem Gegenverkehr) eingehalten werden. Dabei gehen die Auffassungen sehr weit auseinander, was wohl ein „ausreichender“ Seitenabstand sein soll. Besonders bei verengten Fahrspuren in Autobahnbaustellen ist oft zu sehen, dass Überholer es für völlig ausreichend halten, wenn eine Handspanne Abstand zwischen den Außenspiegeln bleibt. Die Rechtsprechung nennt ein solches Verhalten grob fahrlässig.
Insbesondere beim Überholen von Fahrzeugen, die nicht so spurtreu sind wie Autos, ist ein erheblich größerer Seitenabstand nötig. Dies gilt beispielsweise beim Überholen von Motorrädern oder Pferdefuhrwerken (auch Reitern), insbesondere aber beim Überholen von Radfahrern und Fußgängern.
Da Autofahrer oft unterschätzen, welchen Sicherheitsraum Radfahrer und Fußgänger benötigen, wurden in die Straßenverkehrsordnung explizite Mindestmaße aufgenommen, die den Seitenabstand zu überholten Radfahrern und Fußgängern regeln: Innerorts ist ein Seitenabstand von mindesten 1,5m, außerorts von mindestens 2,0m einzuhalten.
Da uns schon entsprechende Fragen erreichten: Der „Abstand“ ist die freie Fläche zwischen Auto und Radfahrer, nicht etwa bis zur Lenkermitte o.Ä. Aufgrund der Sicherheitsfunktion dieser Vorschrift ist es auch klar, dass dieser Seitenabstand erstens auf beiden Seiten gilt, also auch beim Rechtsüberholen eines links abbiegenden Radfahrers, zweitens unabhängig von der Fahr/Gehrichtung ist, also auch zu entgegen kommenden Fußgängern einzuhalten ist, drittens auch dann gilt, wenn sich zwischen Auto und Radfahrer/Fußgänger eine Linie oder eine Bordsteinkante befindet, und viertens von allen Kraftfahrzeugen einzuhalten ist, also auch von Mofas oder E-Scootern.
TIPP: Aufgrund des einzuhaltenden Mindestabstands können Radfahrer auf der Fahrbahn nur überholt werden, indem komplett oder zumindest weitgehend auf die linke Spur gewechselt wird.
Das Blinken beim Abbiegen oder Einparken scheint ja schon seit einiger Zeit außer Mode geraten zu sein. Für alle, deren Fahrschulzeit schon lange zurück liegt, sei deshalb noch einmal betont, dass vor und nach dem Überholen zu blinken ist. Damit wird sowohl dem Überholten als auch dem nachfolgenden Verkehr deutlich gemacht, dass jetzt die Fahrspur gewechselt wird. Wo man über eine längere Strecke nicht überholen konnte und sich dann eine Gelegenheit bietet, kann es sinnvoll sein (und ist es erlaubt), dem Vordermann kurz mit Hupe oder Lichthupe das Überholen anzukündigen.
Drei Verkehrsschilder sprechen explizite Überholverbote aus. Jedes dieser Überholverbote gilt solange, bis es wieder durch ein Verkehrszeichen aufgehoben wird. Siehe hierzu den Beitrag über Geschwindigkeiten
Die drei Überholverbotsschilder der StVO: Zeichen 276, 277 und 277.1 (Bildquelle: wikipedia.org)
Das einfache Überholverbot (Zeichen 276) verbietet allen Kraftfahrzeugen das Überholen von mehrspurigen Fahrzeugen. Motorräder (ohne Beiwagen) dürfen also überholt werden, dürfen aber selbst nicht überholen.
Das LKW-Überholverbot (Zeichen 277) verbietet das Überholen lediglich Kraftfahrzeugen, deren zulässiges Gesamtgewicht, gegebenenfalls einschließlich Anhänger, 3,5t überschreitet. PKW und kleine Lieferwagen dürfen überholen. PKW mit leichten Anhängern sowie (auch große) Busse dürfen überholen, solange sie nicht explizit per Zusatzzeichen beim Überholverbot eingeschlossen sind.
Das noch relativ neue und deshalb leider wenig bekannte Verkehrszeichen 277.1 verbietet mehrspurigen Kraftfahrzeugen das Überholen von einspurigen Fahrzeugen. Hier dürfen also auch Fahrräder nicht überholt werden, außer von Fahrrädern oder (mit 1,5m Seitenabstand) von Motorrädern.
Neben den durch Verkehrszeichen angeordneten Überholverboten gibt es weitere Vorschriften, die ein Überholen verbieten. So darf beispielsweise vor Bahnübergängen und vor Zebrastreifen nicht überholt werden. Auch ist, wie schon erwähnt, das Überholen verboten, wenn der Vordermann unwesentlich langsamer als die zulässige Höchstgeschwindigkeit fährt oder wenn die vorgeschriebenen Seitenabstände nicht eingehalten werden können.
Das wahrscheinlich am häufigsten übertretene Überholverbot spricht das Verkehrszeichen 295 aus. Das ist die durchgezogene Mittellinie. Sie wird überall dort markiert, wo ein Überfahren der Mittellinie, insbesondere zum Überholen, zu gefährlich ist, beispielsweise weil vor einer Kurve oder Kuppe Gegenverkehr nicht frühzeitig erkannt werden kann.
Eine durchgezogene Mittellinie spricht nicht per se ein Überholverbot aus. Befinden sich rechts davon zwei Fahrspuren, darf dort selbstverständlich überholt werden. Auch wenn sich rechts der Mittellinie eine einzelne breite Fahrspur befindet, darf dort ein Motorradfahrer einen Mofafahrer überholen, ausreichenden Seitenabstand vorausgesetzt.
Die durchgezogene Mittellinie verbietet jedoch, mit den Rädern, aber auch schon mit Außenspiegel oder Ladung über die Linie zu ragen. Da zum Überholen normalerweise die Spur zu wechseln ist, verbietet die durchgezogene Mittellinie deshalb fast immer auch das Überholen. Gleiches gilt für in der Straßenmitte markierte Sperrflächen. Auch diese sind wie eine „Wand“ oder „Mauer“ zu betrachten.
Die durchgezogene Mittellinie spricht ein Überholverbot aus. Grund ist die nicht einsehbare Straßenkuppe.
Eine durchgezogene Mittellinie darf nur in Ausnahmefällen (und dann ganz vorsichtig) überfahren werden, nämlich wenn ein Hindernis die Fahrspur versperrt, dessen alsbaldige Behebung nicht zu erwarten ist und keine andere Weiterfahrt möglich ist. Und nein: Ein langsam fahrender Radfahrer mag zwar für Autofahrer ein Hindernis darstellen, erfüllt aber keines dieser Kriterien. Hinter diesem ist langsam her zu fahren, bis die durchgezogene Mittellinie endet.
Ein mit eingeschalteter Warnblinkanlage stehendes Fahrzeug ist in den meisten Fällen ein Hindernis, das vorsichtig auch über eine durchgezogene Linie hinweg überholt werden darf. Es sei denn, es handelt sich um einen Bus kurz vor einer Haltestelle.
Ein vor einer Haltestelle bremsender Linien- oder Schulbus darf niemals überholt werden, wenn die Warnblinkanlage eingeschaltet ist – egal ob durchgezogene Linie oder nicht. Steht der Bus blinkend an der Haltestelle, so darf nur in Schrittgeschwindigkeit daran vorbei gefahren werden, und zwar in beiden Richtungen!
Das Überholen anderer Fahrzeuge gehört zu den gefährlichsten Verkehrssituationen überhaupt und wird auch in der Unfallstatistik auf den vordersten Plätzen genannt. Autofahrer sind deshalb gut beraten, nur dort zu überholen, wo es sicher ist. Meist ist es der geringe Zeitgewinn nicht wert, ein entsprechendes Unfallrisiko für sich selbst und für den Überholten in Kauf zu nehmen.
Falsches Überholen wird mit Punkten in Flensburg oder sogar einem Fahrverbot bestraft. Rücksichtsloses Überholen gehört zu den sieben Todsünden im Straßenverkehr und kann nach dem Strafgesetzbuch sogar ins Gefängnis führen.
D. Ansicht – 20. 1. 2025
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