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Autos, Motorräder, Fahrräder, Fußgänger — wo ist die Ordnung im Straßenverkehr? Manchmal verwirren Schilder, manchmal werden sie ignoriert und oft fehlt einfach die Kenntnis, weil die Fahrprüfung schon so lange her ist oder nie eine gemacht wurde.
StVU.info will helfen, diese Straßenverkehrsunordnung zu lindern. In kurzen Artikeln finden Sie auf dieser Seite Erklärungen, aber auch Meinungen und Tipps, wie sich der Stress auf der Straße, dem Radweg oder dem Fußweg vermindern lässt.
Diese Folge befasst sich mit dem Thema „Benutzungspflichtiger Radweg und Fahrradstraße“. Weitere Folgen finden Sie im Inhaltsverzeichnis. Änderungen, die sich durch die Ergänzung der StVO im April 2020 ergeben haben, sind farblich hervorgehoben.
Der „Sonderweg Radfahrer“, in der Straßenverkehrsordung mit dem blauen Schild 237 definiert, ist eigentlich eine hervorragende Idee zum Wohle der Radfahrer. Trotzdem ist er gleichzeitig einer der heftigsten Kritikpunkte, auf die Sie im Gespräch mit Radfahrern treffen können. Wie so oft klafft eine große Lücke zwischen der guten Idee und der schlechten praktischen Durchführung. Sehen wir uns das einmal genauer an.
Beginnen wir mit der guten Idee: Die Straßenverkehrsordnung spricht von einem Sonderweg für Radfahrer. Gemeint ist damit eine Fahrbahn, die ausschließlich dem Radverkehr vorbehalten ist. Schon optisch steht dieses Zeichen auf einer Stufe z.B. mit dem Sonderweg Reiter (Zeichen 238), dem Sonderweg Fußgänger (Zeichen 239) oder auch dem Sonderweg für Linienomnibusse (Zeichen 245).
In allen diesen Fällen will die Straßenverkehrsordnung mit diesem Mittel einen geschützten Bereich schaffen, der ausschließlich dem Radfahrer/Reiter/Fußgänger oder Bus vorbehalten ist. Kein anderer Verkehrsteilnehmer darf diesen geschützten Bereich benutzen. Nur das vorsichtige Queren ist erlaubt.
Der geschützte Bereich des Sonderwegs darf also weder von Autos, noch von Reitern oder Fußgängern benutzt werden. Auch Motorräder, Skater oder Jogger müssen andere Teile der Straße benutzen. Erlaubt sind auf einem Sonderweg für Radfahrer neben Fahrrädern nur Mofas (außerhalb geschlossener Ortschaften) sowie Elektro-Kleinstfahrzeuge (E-Scooter, Segways) laut eKF-Verordnung (also mit Versicherungsplakette und einer Bauart-bedingten Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h). Pedelecs (nur Tretunterstützung bis max. 25 km/h) gelten als Fahrräder, E-Bikes (Leichtmofa mit Elektroantrieb) dürfen Radwege nur außerorts, S-Pedelecs (Motorunterstützung über 25 km/h) dürfen Radwege gar nicht benutzen.
In den Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung sind zusätzlich noch Qualitätsvorgaben gemacht, die ein Sonderweg Radfahrer erfüllen muss, beispielsweise eine Breite von zwei Metern (für eine Fahrtrichtung!) sowie eine eindeutige und sichere Linienführung. Er muss ausreichend befestigt und inklusive eines Sicherheitsraums frei von Hindernissen sein. Schließlich ist auch vorgegeben, dass die Fahrbahnoberfläche den Erfordernissen des Radverkehrs genügt und entsprechend unterhalten wird sowie dass aus Sicherheitsgründen an Einmündungen und Kreuzungen für eine ausreichende Sicht zwischen Radfahrern und Autos gesorgt werden muss.
Würden nun alle Wege, die mit dem blauen Schild 237 gekennzeichnet sind, diesen Qualitätsvorgaben folgen, gäbe es wohl kaum Diskussionen und wenig zu meckern. Leider ist dem nicht immer so. Und dann kollidiert man mit der zweiten Bedeutung des Zeichens 237.
Mit dem weißen Fahrrad auf blauem Grund wird dem Radfahrer nämlich nicht nur eine Exklusivität der Nutzung gewährt, er wird gleichzeitig verpflichtet, diesen Weg zu nutzen.
Zeichen 237 ordnet eine Benutzungspflicht des angegebenen Weges an. Damit wird gleichzeitig ein Fahrverbot für Radfahrer ausgesprochen. Denn wo Radweg und Fahrbahn parallel verlaufen, verbietet Zeichen 237 das Fahren auf der Straße.
Nun ist ein Fahrverbot für Radfahrer auf der Fahrbahn einer Straße nichts Ungewöhnliches. Bei jeder Autobahn oder Kraftfahrstraße wird dies akzeptiert. Und umgekehrt gilt ja auch auf dem Radweg ein Fahrverbot für Autos (und ein Gehverbot für Fußgänger).
Selbst beim Qualitätsradweg gibt es immer noch (allerdings wenige) Personen, die sich in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt sehen, nur weil sie etwas nicht dürfen, obwohl sie es unbedingt wollen. Kennen wir alle aus dem Kindergarten.
Das Problem der benutzungspflichtigen Radwege ist jedoch, dass leider nur sehr wenige Radwege den Qualitätsvorgaben der Verwaltungsvorschrift und der gängigen Regelwerke genügen. Oft scheitert es an der Exklusivität, weil der Radweg eben nicht nur ein Sonderweg für Radfahrer ist. Oder es fehlt an der Qualität, was Breite, Linienführung, Oberflächenbeschaffenheit oder Sicherheit angeht.
Wird dann trotzdem das Zeichen 237 aufgestellt, so bleibt von der guten Idee nichts mehr übrig, sondern es bleibt nur die Benutzungspflicht, also das Radfahrverbot auf der Straße. Denn grundsätzlich gilt das Zeichen 237 dann immer noch, auch wenn es nach den Vorschriften eigentlich gar nicht hätte aufgestellt werden dürfen.
Darüber regen sich dann nicht nur Kampfradler und Aktivisten auf, wie man auf unzähligen Webseiten lesen kann, sondern es verhindert auch, dass Pendler, Urlaubs- oder Freizeitradler so zügig voran kommen, wie man es einer Alternative zum Auto eigentlich zugestehen möchte.
Aus Sicht der Verkehrsplaner wird für benutzungspflichtige Radwege gern mit dem Schutz der Radfahrer argumentiert. Man möchte die Radfahrer vor dem bösen Autoverkehr schützen. Umgekehrt vermuten Radvielfahrer gern, das Zeichen würde nur aufgestellt, um die langsameren Radfahrer von der Straße zu bekommen, wo sie den Autoverkehr nur stören würden. Beide seien auf § 45 der Straßenverkehrsordnung verwiesen, nach der das Zeichen 237 sowieso nur dort aufgestellt werden darf wo „aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko […] erheblich übersteigt.“
Anlass genug also, sich einmal ausführlicher mit benutzungspflichtigen Radwegen zu beschäftigen, wobei es dabei nicht um fundamentalistische Argumentationen des Für und Wider gehen soll, sondern um die praktische Anwendung und Gestaltung.
Grundsätzlich können wir drei bzw. vier Arten von Wegen unterscheiden, auf denen uns das Zeichen 237 begegnet:
TIPP für Verkehrsplaner: Eine Alternative zu einem benutzungspflichtigen Geh- und Radweg, beispielsweise entlang einer wenig befahrenen Landstraße, stellt die Beschilderung mit Zeichen 260 „Verbot für Kraftfahrzeuge“ dar. Siehe dazu auch hier.
Bei einem Radfahrstreifen handelt es sich um einen Fahrstreifen auf der Fahrbahn, der ausschließlich dem Fahrradverkehr vorbehalten ist. Er ist mit einer breiten durchgezogenen Linie von den übrigen Fahrspuren der Straße getrennt.
Ein Radfahrstreifen muss durch das Zeichen 237 (Sonderweg Radfahrer) gekennzeichnet sein, damit z.B. Park- und Halteverbote dort gelten. Dieses steht als Schild neben der Fahrbahn, manchmal wird es auch zusätzlich auf der Fahrbahn aufgemalt. In jedem Fall müssen Fahrradpiktogramme aufgemalt sein, um den Sonderweg Radfahrer von einem normalen Seitenstreifen zu unterscheiden.
Folgt man den Empfehlungen und Vorschriften, so muss ein Radfahrstreifen mindestens 1,85 m breit sein. Zu einem eventuell rechts daneben liegenden Parkstreifen ist zusätzlich ein Abstand von 75 cm vorzusehen. So wird vermieden, dass Radfahrer durch unvorsichtig aussteigende Autofahrer gefährdet werden.
Radfahrstreifen sind selbstverständlich Einbahnstraßen. Die Mindestbreite soll keinen Gegenverkehr, sondern das Überholen von langsamen Radfahrern erlauben, ohne dass auf die Autospur gewechselt werden muss. Um zu ermöglichen, dass Autofahrer den gesetzlich vorgesehenen Mindestabstand von 1,5 Metern beim Überholen von Radfahrern einhalten können, geben die Vorschriften außerdem vor, dass die angrenzende Autofahrspur ca. 3 Meter breit sein muss.
Radfahrspuren sind ausschließlich dem Radverkehr vorbehalten. Autos dürfen dort nicht fahren, nicht parken, noch nicht einmal halten.
Radfahrspuren sind Teil der Straße. Für sie gelten also auch dieselben Vorfahrtsregeln und Ampeln.
Regelkonforme Radfahrstreifen sorgen für zügiges Vorankommen und sind auch für unsichere Radfahrer gefahrlos zu nutzen. Dementsprechend gibt es auch wenig Kritik an solchen benutzungspflichtigen Wegen. Gemeckert wird eigentlich nur, wenn ein Radfahrstreifen aufgemalt wird, obwohl der Platz hierfür gar nicht ausreicht, oder wenn eine Straßenreinigung mal wieder vergessen hat, diesen Teil der Straße ebenfalls zu fegen oder von Schnee zu räumen.
Ganz anders sieht dies bei der gängigsten Form benutzungspflichtiger Radwege aus. Meist wird der Radweg nämlich nicht als Fahrstreifen auf der Fahrbahn, sondern als „von der Fahrbahn baulich durch einen Trennstreifen oder ein Bord mit Sicherheitstrennstreifen getrennter Radweg“ ausgeführt.
Diese bauliche Abgrenzung besteht gern aus einem Grün- oder Parkstreifen zwischen Autospur und Radweg. Ebenso gern wird ein Bordstein benutzt, so dass die Fahrbahn unten, der Radweg oben auf dem höhergelegten Bord geführt wird. Beides sorgt für eine deutlichere Trennung von Auto- und Fahrradverkehr, was unsicheren Radfahrern entgegen kommt.
Sicherer wird ein solcher Radweg aber nicht. Zum einen sorgen Grün- oder Parkstreifen dafür, dass Radfahrer hinter einer Sichtblockade verschwinden, was Abbiegeunfälle provoziert. Zum anderen ist eine Bordsteinkante ein Sicherheitsrisiko, welches Stürze durch Unachtsamkeit fördert.
Warnung: Denken Sie bei der Benutzung eines straßenbegleitenden Radwegs immer daran, dass Sie RECHTS von Autos fahren, die eventuell RECHTS abbiegen wollen.
Die größeren Kritikpunkte an benutzungspflichtigen, straßenbegleitenden Radwegen sind jedoch andere. Durch die Verlagerung des Radwegs weg von der Fahrbahn wird der Radweg gern mit dem Gehweg kombiniert. Dies erzeugt Probleme mit Fußgängern, aber auch mit abgestellten Gegenständen.
Auch geht gern die geforderte einfache und sichere Linienführung genauso verloren wie Vorfahrtsrechte oder Ampelphasen. Schließlich gibt es, zumindest innerorts, kaum Radwege, welche die geforderten und für flüssigen Verkehr nötigen Breiten besitzen.
Wir werden weiter unten noch genauer auf die Probleme straßenbegleitender Radwege zu sprechen kommen. Zunächst aber die beiden restlichen Arten benutzungspflichtiger Radwege.
Eine Fahrradstraße ist nichts anderes als ein benutzungspflichtiger Radweg, welcher die gesamte Straßenbreite umfasst. Meist entstehen Fahrradstraßen durch Umwidmung vorhandener Straßen, haben deshalb normale Bürgersteige, so dass es keine Konflikte mit dem Fußgängerverkehr gibt.
Zur Kennzeichnung einer Fahrradstraße kommt eine Abwandlung des Zeichens 237 zur Anwendung, das Zeichen 244.
Da die meisten Fahrradstraßen vorher normale Wohnstraßen waren, erfüllen sie alle Vorgaben an Breite, Linienführung und Sicherheit. Grundsätzlich gilt wie beim Sonderweg Radfahrer die Exklusivität: Fahrradstraßen sind ausschließlich dem Radverkehr vorbehalten, Autos und Motorräder dürfen hier nicht fahren.
Soweit die Theorie. Die Praxis sieht normalerweise so aus, dass Autos und Motorrädern die eingeschränkte Mitnutzung einer Fahrradstraße per Zusatzschild gestattet wird. Schließlich waren die meisten Fahrradstraßen vorher Wohnstraßen, und die Anwohner möchten auch weiterhin nach Hause kommen.
Ist eine Fahrradstraße für Autos freigegeben (es gibt auch solche, die es nicht sind!), so sind Autos auf dieser Fahrbahn nur Gäste und müssen sich entsprechend langsam und vorsichtig bewegen. In den Niederlanden wird dieser Hinweis (Autos sind nur zu Gast) deshalb extra im Verkehrszeichen sichtbar gemacht.
Die eingeschränkte Mitbenutzung einer Fahrradstraße durch Autos schließt in Deutschland z.B. eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h ein. Um bei Mischverkehr deutlich zu machen, dass diese Straße immer noch ein Radweg ist, werden oft zusätzliche Hinweise auf der Straße angebracht. Meist ist dies ein großes Zeichen 237, aber wir haben auch schon andere Hervorhebungen, oft in blauer Farbe, gesehen.
Fahrradzonen, die im April 2020 in die Straßenverkehrsordnung eingeführt wurden, funktionieren wie eine Tempo-30-Zone. Eine Fahrradzone ist ein Netz von miteinander verbundenen Straßen, in denen dieselben Verkehrsregeln gelten. Es muss dann nicht an jeder Kreuzung wieder ein Verkehrszeichen "Fahrradstraße" aufgestellt werden. Vom Beginn der Fahrradzone bis zu ihrem Ende sind alle Straßen und Querstraßen automatisch Fahrradstraßen.
Als vierte Art von benutzungspflichtigem Radweg findet man immer häufiger Radwege abseits irgendwelcher Straßen, z.B. auf nicht mehr verwendeten Bahntrassen oder entlang von Flüssen und Kanälen.
Auch derartige Wege sind mit dem Zeichen 237 als Sonderweg Radfahrer gekennzeichnet, gerne auch in der Variante 241 als gemeinsamer Rad- und Gehweg. Wir haben auch schon die Beschilderung mit dem Zeichen 244 als Fahrradstraße gesehen.
In diesem Zusammenhang ist das Zeichen 237 auf seine eigentliche Bedeutung als Spezialweg für Radfahrer reduziert. Eine Benutzungspflicht ist hier unsinnig, weil es gar keine Alternative gibt.
In der überwiegenden Zahl der Fälle ist eine Radtrasse sowohl Radfahrern als auch Fußgängern vorbehalten. Autos dürfen hier genauso wenig fahren wie Motorräder oder Kutschen (und Reiter). Außerhalb geschlossener Ortschaften (was allerdings markiert sein müsste) sind Mofas auf Radwegen gestattet. Zur Straßenverkehrsunordnung auf gemeinsamen Fuß- und Radwegen siehe diesen Artikel.
Bei den wenigen schon fertiggestellten Radschnellwegen gibt es oft eine zusätzliche Trennung zwischen Radverkehr und Fußgängerverkehr, so dass der Sonderweg Radfahrer wieder zu seiner ursprünglichen guten Idee zurückkehrt. In diesen Fällen ist die Fahrradspur vier Meter breit (zwei pro Fahrtrichtung), mit dem Zeichen 237 versehen und asphaltiert, der parallele Gehweg hingegen gepflastert oder geschottert. Auf diese Weise wird ein zügiger Fahrradverkehr mit leichtem Überholen langsamerer Radfahrer ermöglicht. Für Rollschuhfahrer wurde in die Straßenverkehrsordnung extra ein Zusatzzeichen (1020-13) eingeführt, welches Inline-Skatern dann (und nur dann) die Mitbenutzung des Radwegs erlaubt. In manchen Bundesländern gibt es auch das Zusatzzeichen "S-Pedelec frei", damit Radschnellwege auch von diesen bis 45km/h schnellen Elektrorädern benutzt werden dürfen.
Wie angekündigt, kehren wir noch einmal zu den benutzungspflichtigen, straßenbegleitenden Radwegen zurück, denn hier ist die Straßenverkehrsunordnung am Größten.
Grundsätzlich soll der Sonderweg Radfahrer eine exklusive Fahrspur für Radfahrer darstellen. Wird stattdessen mit dem Zeichen 241 ein gemeinsamer Geh- und Radweg angeordnet, so wird nicht nur diese Exklusivität genommen, sondern der Radverkehr je nach Fußgängeraufkommen sehr stark ausgebremst. Es ist dann nicht verwunderlich, dass flottere Radfahrer (Pendler, Tourenfahrer, Rennradler) lieber verbotenerweise die Autospur nutzen.
Eine getrennte Führung von Geh- und Radweg, wie sie mit dem Zeichen 240 vorgesehen wird, würde dieses Problem vermindern. Allerdings müssten dann auch die notwendige Breite des Radwegs, eine bauliche Abtrennung des Fußwegs und die geforderte Mindestbreite des Gehwegs eingehalten werden. Die meisten „getrennten“ Geh- und Radwege hingegen sind viel zu schmal. Auch können Fußgänger oft nicht erkennen (oder wissen es nicht), dass sie auf dem Radwegteil nicht gehen oder stehen dürfen.
Gern werden Bordsteinradwege auch zum Abstellen von Mülltonnen, Werbetafeln oder Autos verwendet, von Schildern und Laternen ganz zu schweigen. Dass ein Sonderweg Radfahrer voraussetzt, dass er eine sichere Linienführung hat und frei von Hindernissen ist, wird beim Anordnen der Benutzungspflicht gern übersehen. Kein Wunder, dass Radfahrer sich dann aufregen und stattdessen die Autospur benutzen, denn die ist frei.
Ein weiterer Kritikpunkt, welcher gegen das zügige Vorankommen auf einem straßenbegleitenden Radweg spricht (was ja der Sonderweg Radfahrer eigentlich fördern soll), ist die Handhabung von Vorfahrtsregeln und Ampeln. Da der straßenbegleitende Radweg ja ein Teil der ihn begleitenden Straße ist, müssten für ihn auch dieselben Vorfahrtsregeln gelten. In sehr vielen Fällen jedoch wird dem Radweg dieses Vorfahrtsrecht genommen. Mal wird eine zusätzliche Ampelquerung verlangt, gern mit Bedarfsanforderung, damit man auch ganz bestimmt keine freie Fahrt hat, mal wird ein Zebrastreifen oder sogar ein Vorfahrt-gewähren-Schild angebracht, damit Rechtsabbieger der Autospur regelwidrig ein Vorfahrtsrecht erhalten. Aber auch wenn all diese Komplikationen nicht vorhanden sind und der Radweg ganz einfach vorfahrtsberechtigt geradeaus führt, bleibt immer noch das oft tödlich endende Problem mit Rechtsabbiegern oder unaufmerksamem Querverkehr.
Besonders an Einmündungen und Kreuzungen wird gern von der Vorgabe einer eindeutigen, gradlinigen und sicheren Linienführung abgewichen, indem Radwege erst in Richtung der einmündenden Straße verschwenkt werden und diese dann senkrecht queren müssen. Dies hat auch den Zweck, weil ab einem Abstand von 5 Metern der Radweg nicht mehr als Teil der begleitenden Straße gilt. (Wodurch also auch die Benutzungspflicht endet.) All dies bremst einen Radfahrer auf dem Radweg deutlich gegenüber einem regelwidrig die Autospur benutzenden Kollegen aus, weshalb man sich nicht über Kritik wundern muss.
Schließlich muss auch noch die Oberflächenbeschaffenheit angesprochen werden. Während die Autospur mehr oder weniger glatt asphaltiert ist, befinden sich viele straßenbegleitende Radwege in einem erbärmlichen Zustand. Zwar darf nach den Verwaltungsvorschriften eine Benutzungspflicht nur angeordnet werden, wenn „die Beschaffenheit und der Zustand zumutbar ist“. Das hindert die zuständigen Behörden aber nicht, auch an unbefestigte Wege, Schlaglochpisten, wurzelbedingte Berg- und Talbahnen sowie mit Drängelgittern abgesperrte Wege blaue Schilder zu stellen.
Genauso wie Radfahrstreifen auf der Straße sind auch straßenbegleitende Radwege immer Einbahnstraßen. Sie haben eine vorgeschriebene Fahrtrichtung, die sich aus der Lage relativ zur Straße und aus der Position des Zeichens 237 ergibt. Es muss immer der Radweg RECHTS von der Straße benutzt werden. Geisterfahrer auf dem Radweg sind mindestens so gefährlich wie falsch laufende Fußgänger. Nicht ohne Grund kostet die vorschriftswidrige Benutzung eines linksseitig angelegten Radwegs ein Bußgeld zwischen 55€ und 100€.
Damit ein Radweg in beiden Richtungen benutzt werden kann, muss er nicht nur deutlich breiter angelegt sein. Ein Zweirichtungsradweg muss auch an beiden Enden klar machen, dass Gegenverkehr möglich ist. Außerdem schreibt die StVO vor, dass der Querverkehr an jeder Einmündung mit dem Zeichen 1000-32 darauf hingewiesen wird, dass Radfahrer aus beiden Richtungen kommen können.
Trotzdem sind linke Radwege so gefährlich, dass selbst die Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung sagen: „Die Benutzung von in Fahrtrichtung links angelegten Radwegen in Gegenrichtung ist insbesondere innerhalb geschlossener Ortschaften mit besonderen Gefahren verbunden und soll deshalb grundsätzlich nicht angeordnet werden.“
Die Unfallgefahr bei linken Radwegen ist um ein Mehrfaches höher als bei rechten Radwegen. Hinzu kommt noch, dass Radfahrer zweimal die Autospuren kreuzen müssen, um den Radweg zu erreichen oder zu verlassen. Trotz dieser Hinweise findet man aber immer noch viele Radwege auf der falschen Straßenseite, insbesondere an Landstraßen. Nicht wenige davon werden mit dem Zeichen 237 bzw. 241 benutzungspflichtig.
Tipp: Benutzen Sie linke Radwege nur, wenn es keine andere Möglichkeit gibt!
Jeder Weg, der aussieht wie ein Radweg, aber nicht mit den Zeichen 237, 240 oder 241 versehen ist, ist nicht benutzungspflichtig. Hier hat der Radfahrer die freie Wahl.
Ist der Weg gradlinig und sicher, frei von Fußgängern und Hindernissen, wird der Großteil aller Radfahrer diesen freiwillig benutzen. Auch wer sich im Straßenverkehr unsicher fühlt, darf und sollte diese Wege nutzen.
Rennradler, Pendler und schnelle Tourenfahrer werden in diesen Fällen die Benutzung stark von der Wegequalität abhängig machen. Ist man nicht oder unwesentlich langsamer unterwegs als auf der Autospur, finden auch flotte Radfahrer überholende Autos lästig.
Tipp: Bauen Sie gute Radwege, dann ergibt sich die Benutzung von selbst und muss nicht angeordnet werden.
Fazit: Der Sonderweg Radfahrer als exklusive Fahrspur für Fahrräder ohne störende Autos oder Fußgänger ist eine gute Idee der Straßenverkehrsordnung. Wenn dieser Sonderweg die rechtlichen Qualitätsvorgaben wie Gradlinigkeit, Oberflächenbeschaffenheit, Sicherheit und Vorfahrtsregeln erfüllt, ist auch eine Benutzungspflicht akzeptabel. Leider aber erfüllen die meisten benutzungspflichtigen Radwege diese Forderungen nicht, sondern bremsen Alltags- und Sportradler künstlich aus. Dass viele benutzungspflichtige Radwege deshalb in der Kritik stehen, ist nicht verwunderlich.
D. Ansicht
– 05. 03. 2018
[Foto Zusatzzeichen Inline-Skater: 2. 6. 2018]
[Foto Fahrradstraße Niederlande, Ergänzung eKFV: 1. 10. 2019]
[Ergänzungen StVO-Novelle: 5. 5. 2020]
[Foto Laternen: 17. 8. 2020]
[Foto reine Fahrradstraße: 25. 10. 2021]
[Zeichen 260: 30. 9. 2022]
[zusätzliche Fotos, kleine Textänderungen: 4. 4. 2024]
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