StVU.info Informationen und Meinungen wider die StraßenverkehrsUnordnung |
Autos, Motorräder, Fahrräder, Fußgänger — wo ist die Ordnung im Straßenverkehr? Manchmal verwirren Schilder, manchmal werden sie ignoriert und oft fehlt einfach die Kenntnis, weil die Fahrprüfung schon so lange her ist oder nie eine gemacht wurde.
StVU.info will helfen, diese Straßenverkehrsunordnung zu lindern. In kurzen Artikeln finden Sie auf dieser Seite Erklärungen, aber auch Meinungen und Tipps, wie sich der Stress auf der Straße, dem Radweg oder dem Fußweg vermindern lässt.
Diese Folge richtet sich an alle, die im öffentlichen Verkehrsraum Baustellen planen, einrichten und betreiben. Weitere Folgen finden Sie im Inhaltsverzeichnis.
Arbeiten im Straßenraum oder direkt angrenzend an Verkehrsflächen erzeugen geplante, temporäre Hindernisse, die zwar nötig sind, aber den Verkehr behindern. Baustellen auf Fahrbahn, Radweg oder Gehweg gehören zu den Situationen, die Ärger der betroffenen Verkehrsteilnehmer auf sich ziehen. Sie müssen deshalb sorgfältig geplant, aufgebaut und überwacht werden. So die Theorie – die Praxis sieht leider oft anders aus.
Grund für eine Baustelle ist meist eine Reparatur am Verkehrsweg selbst oder an der darunter liegenden öffentlichen Infrastruktur. Zusätzlich gibt es auch private Baustellen außerhalb des Straßenraums, für die Teile von öffentlichen Flächen genutzt werden. Ein Beispiel für Letzteres ist ein Gerüst für die Arbeit an einer direkt am Gehweg liegenden Fassade. Dies ist eine Sondernutzung öffentlichen Raums, die beantragt und bezahlt werden muss.
Mit Planung, Aufbau und Überwachung einer Baustelle im öffentlichen Verkehrsraum sind normalerweise drei Stellen befasst: der Auftraggeber, der Einrichter und die Straßenverkehrsbehörde. Der Auftraggeber ist derjenige, der baut, beispielsweise ein privater Bauherr, eine Bauunternehmung, die örtlichen Stadtwerke oder die Straßenbaubehörde. Der Einrichter ist ein spezieller Dienstleister zur Verkehrsabsicherung. Die Straßenverkehrsbehörde ist dafür zuständig, die verkehrsfremde Nutzung öffentlicher Flächen zu erlauben und zu überwachen.
Die Arbeitsteilung sieht normalerweise so aus: Der Auftraggeber plant, welche Teile des öffentlichen Verkehrsraums für die Baustelle belegt werden sollen und für welchen Zeitraum. Darauf aufbauend plant der Einrichter, welche Maßnahmen zur Verkehrssicherung notwendig sind, damit Gefährdungen des öffentlichen Verkehrs ausgeschlossen und Behinderungen minimiert werden. Ein Ergebnis dieser Planung ist ein so genannter Verkehrszeichenplan.
Der von §45 StVO geforderte Verkehrszeichenplan umfasst die genaue Position von Absperrungen, Beschilderungen, Beleuchtungsmitteln und Markierungen sowie gegebenenfalls die Position vorhandener Verkehrszeichen und Markierungen, die für den benötigten Zeitraum abgedeckt, entfernt oder ungültig gemacht werden. Werden Baustellenampeln aufgestellt, so gehören hierzu auch die Signalzeitenpläne, also wie lange die einzelnen Ampelphasen dauern.
Typisches Problem: In den Regelwerken gibt es Muster-Verkehrszeichenpläne, die oft unverändert eingereicht werden. Dabei passen diese Regelpläne so gut wie nie und müssen an die jeweilige Verkehrssituation angepasst sowie zusätzlich detailliert werden.
Mit dem Verkehrszeichenplan und weiteren Unterlagen stellen Auftraggeber und/oder Einrichter einen Antrag bei der zuständigen Behörde. Die Straßenverkehrsbehörde, manchmal auch die Straßenbaubehörde, prüft und genehmigt die Planung. Insbesondere müssen dabei die Auswirkungen auf den öffentlichen Verkehr in der Nähe der Baustelle berücksichtigt werden. Bei privaten Baustellen wird zusätzlich eine Sondernutzung genehmigt und in Rechnung gestellt.
Der Einrichter sichert nun die Baustelle. Dazu werden die Verkehrszeichen, Absperrgitter usw. genau nach dem genehmigten Plan aufgestellt. Abweichungen sind nicht zulässig. Der Einrichter stellt außerdem sicher, dass nur normgerechte Zeichen, Einrichtungen und Markierungen verwendet werden. Die Elemente müssen so aufgestellt werden, dass sie verkehrs- und sturmsicher sind. Es ist Aufgabe der Straßenverkehrsbehörde, nach dem Aufbau zu prüfen, ob die Baustelle wie genehmigt abgesichert wurde.
Typisches Problem: Verkehrszeichen, gerne auch falsche, werden von Hilfskräften dort aufgebaut, wo gerade Platz ist, nicht etwa dort, wo es der Plan verlangt oder sie möglichst wenig behindern.
Im Verlauf der Bauarbeiten kommt es vor, dass die Absperrungen und Verkehrszeichen verschoben oder auf Seite geräumt werden. Dies passiert bei der Anlieferung von Material oder zum Rangieren von Maschinen. Auf jeder Baustelle muss es einen Verantwortlichen für die Verkehrssicherung geben, der darauf achtet, dass kurzzeitig verschobene oder entfernte Verkehrszeichen und Absperrungen wieder an die korrekte Stelle kommen. „Arbeitsstellen sind durch die Straßenverkehrsbehörde, Straßenbaubehörde und die Polizei zu überwachen. Das gilt auch für die Zeit nach Arbeitsschluss, für die Nacht und für die Sonn- und Feiertage.“[RSA 21, A 1.6.3]
Nach Abschluss der Bauarbeiten stellt der Einrichter den vorherigen Zustand wieder her, damit die Verkehrsflächen normal genutzt werden können. Auch dies muss von der Straßenverkehrsbehörde abschließend kontrolliert werden.
Typisches Problem: Personalmangel in den Aufsichtsbehörden sorgt dafür, dass Kontrollen unterbleiben oder nur im Vorbeifahren erfolgen.
Arbeiten alle Beteiligten sorgfältig, so sollte der Verkehr so wenig wie möglich behindert werden und Gefährdungen ausgeschlossen sein. Aber selbst wenn alle Beteiligten äußerst sorgfältig arbeiten, sind Probleme nicht ausgeschlossen – man denke nur an weniger intelligente Verkehrsteilnehmer, die Verkehrszeichen verschieben oder verdrehen.
Gerade in Hinblick auf baustellenbedingte Störungen des Fußverkehrs geschehen viele Fehler bereits bei der Planung und der Genehmigung. Gehwege sind Schutzräume für die am meisten gefährdeten Verkehrsteilnehmer. Bei einer eingeschränkten Fahrbahn können Autofahrer leicht Umwege fahren. Bei einem versperrten Radweg kann der Radverkehr sicher über die Fahrbahn gelenkt werden. Bei einem versperrten Gehweg aber darf man Kinder und Senioren nicht einfach auf die Fahrbahn schicken.
Gehwege sind durch Baustellen so wenig wie möglich einzuschränken. Die relevanten „Richtlinien für die verkehrsrechtliche Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen“ (RSA) stellen deshalb klar: „Die Sicherheit der Fußgänger darf im Bereich von Arbeitsstellen nicht beeinträchtigt werden. Wegen der besonderen Erschließungsfunktion von Gehwegen soll eine vollständige Sperrung vermieden werden.“[RSA 21, B 2.4]
Gehwege sollen also auch an Baustellen weitergeführt werden. Wo nötig, können diese aber in der Breite eingeschränkt werden. Dies kann der Fall sein, wenn im Gehwegbereich selbst gebaut wird oder an einer Hausfassade, die direkt an den Gehweg grenzt. Dem Regelwerk nach muss eine Restbreite von 1,30m erhalten bleiben und darf nur auf kurzen Engstellen unterschritten werden.
Typisches Problem: Es wird gern übersehen, dass auf Gehwegen Gegenverkehr herrscht. Die Restbreite des Gehwegs sollte deshalb nach dem erwarteten Fußverkehrsaufkommen bemessen werden, auch wenn die einschlägigen Richtlinien dies nicht explizit fordern. Es ist Aufgabe der anordnenden Behörde, Mindestrestbreiten von 2,50m oder mehr festzuschreiben, wo dies nötig ist.
In jedem Fall ist die Befahrbarkeit mit Rollstühlen zu gewährleisten. Dazu gehört, dass auf der gesamten Länge eine befahrbare Breite von mindestens 1,00m garantiert ist. Gehwege werden durch temporäre Verkehrszeichen und ihre Fußplatten häufig eingeengt, zumal diese mit Abstand von der Fahrbahn aufgestellt werden sollen. Eine Verengung des Gehwegs unter die Mindestbreiten ist aber auch durch solche Baustellenelemente unzulässig. Die Regelwerke geben vor, dass temporäre Verkehrszeichen bei Platzmangel auf der Fahrbahn, nämlich am rechten Fahrbahnrand, aufzustellen sind.[RSA 21, A 2.3]
Typisches Problem: Da Rollstühle und Kinderwagen schmale Restgehwege komplett belegen, können diese weder überholt werden noch ist Gegenverkehr möglich. In kurzen Abständen sind deshalb Ausweichmöglichkeiten nötig.
Die geforderte besondere Rücksichtnahme auf Kinder und mobilitätseingeschränkte Personen hat insbesondere Auswirkungen auf die Platzierung der Fußplatten von Absperrgittern oder Verkehrszeichen. Als Fußplatten werden die Kunststoff- oder Betonblöcke bezeichnet, die auf dem Boden liegen und in welche die Verkehrszeichen oder Absperrelemente hineingesteckt werden. Von diesen können auch mehrere übereinander angeordnet sein, um Windlasten auszugleichen. Die Fußplatten müssen so gedreht sein und so weit im Baustellenbereich stehen, dass für Kinderwagen oder Rollstuhl immer ein freier Abstand von mindestens 1,0m bleibt. Stolperfallen sind zu vermeiden. Gleichzeitig muss sichergestellt sein, dass Absperrgitter und Bauzäune nicht umfallen können.
Zur Barrierefreiheit gehört auch, dass es im Baustellenbereich keine Stufen geben darf. Bordsteine u.Ä. sind gemäß der „Hinweise für barrierefreie Verkehrsanlagen“ (H BVA) auf höchstens 3cm abzusenken oder mit Rampen zu versehen. Absperrschranken müssen mit Tastkanten versehen sein, damit sie sich mit einem Langstock erkennen lassen.[H BVA 3.6]
An einer Baustelle anfallende temporäre Hindernisse wie angeliefertes Material, Bauschuttcontainer, mobile Toiletten oder Arbeitsgeräte gehören auf die vorgegebene und abgesicherte Baustellenfläche. Verkehrsflächen außerhalb der Baustelle dürfen nur kurzzeitig belegt werden, Hindernisse sind umgehend zu beseitigen und bis dahin ausreichend kenntlich zu machen.[§32 StVO] Dies gilt auch für Verschmutzungen der Verkehrsfläche.
Bei Dach-, Fassaden- oder Abbrucharbeiten sowie bei Kranarbeiten über dem Gehweg müssen Fußgänger vor herabfallenden Teilen geschützt werden. Hierzu werden Fußgängerschutztunnel, Durchlaufgerüste oder Schutzdächer errichtet. Sie müssen eine lichte Höhe von mindestens 2,20m haben.
Wo es sich nicht vermeiden lässt, weil beispielsweise ein Gehweg in seiner gesamten Breite durch Bauarbeiten unpassierbar wird, darf der Gehweg komplett gesperrt werden. Es ist dann jedoch eine möglichst kurze Umleitung für den Fußverkehr einzurichten. Das Mittel der Wahl ist ein abgesicherter Notweg.
Zu diesem Zweck wird ein eventuell vorhandener Parkstreifen oder eine der vorhandenen Fahrspuren für den Autoverkehr gesperrt. Die Flüssigkeit des Autoverkehrs hat dann hinter der Flüssigkeit des Fußverkehrs zurück zu stehen. Auf dem so gewonnenen Platz wird ein provisorischer Gehweg eingerichtet. Gegenüber dem verbleibenden Fahrbahnverkehr – und natürlich gegenüber der Baustelle – wird der Notweg mit Absperrungen gesichert.
Der Notweg ist barrierefrei einzurichten. Dazu gehören eventuell erforderliche Rampen genauso wie eine Mindestbreite mit geeigneten Ausweichstellen sowie ausreichend dimensionierte Kurven, in denen sich Rollstühle und Kinderwagen manövrieren lassen.
Typisches Problem: Notwege verlassen die ebene Gehwegfläche. So ergeben sich Stufen und Unebenheiten, die eine barrierefreie Nutzung erschweren.
Nur für den Fall, dass bei einem gesperrten Gehweg die Einrichtung eines Notweges nicht möglich ist, soll Fußverkehr auf den gegenüberliegenden Gehweg umgeleitet werden. Außer bei wenig befahrenen Wohnstraßen ist dann die Anlage von Querungshilfen erforderlich. Schließlich ist „die Sicherung des Fußgängers beim Überqueren der Fahrbahn eine der vornehmsten Aufgaben der Straßenverkehrsbehörden und der Polizei.“[Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO)]
Eine Querungshilfe kann ein temporärer Zebrastreifen (Fußgängerüberweg) sein. Wo dieser nicht geeignet erscheint, muss eine temporäre Fußgängerampel die Sicherheit des Fußverkehrs garantieren. In jedem Fall ist wieder die Barrierefreiheit zu beachten, also Rampen, Bodenindikatoren sowie bei einer Ampelanlage gegebenenfalls akustische Signale.
Typisches Problem: Querungshilfen sind aufwändig herzustellen (Markierungen, Verkehrszeichen, Ampeln, Rampen usw.), weshalb auf sie gern verzichtet wird. Dem leisten die RSA Vorschub, indem sie lediglich verlangen, die Einrichtung einer Querungshilfe sei „zu prüfen“.
Es sind im Normalfall zwei Querungshilfen erforderlich: vor und hinter der Baustelle. Fußverkehr ist nicht richtungsgebunden und kann von jeder Seite an die Baustelle kommen. Auch müssen die Gebäude auf dieser Straßenseite jenseits der Baustelle einfach wieder zu erreichen sein.
Nach Abschluss der Bauarbeiten sollen die Verkehrsflächen wieder wie gewohnt genutzt werden können. Deshalb sind nicht nur alle temporären Verkehrszeichen und Absperrgitter zu entfernen, sondern auch die Oberflächen wieder in einen ordentlichen Zustand zu versetzen.
Baufirmen werden deshalb normalerweise verpflichtet, genau den Zustand wiederherzustellen, den sie vorgefunden haben. Dies führt leider dazu, dass eine günstige Gelegenheit verpasst wird, Verkehrswege zu verbessern. Es kann passieren, dass Baufirmen sich größte Mühe geben, eine Treppenanlage aus den 70ern oder einen viel zu hohen Bordstein wiederherzustellen, statt gleich eine barrierefreie Anlage zu bauen.
Die Hinweise für barrierefreie Verkehrsanlagen enthalten die Empfehlung, bei Baustellen nicht einfach den alten Zustand zu rekonstruieren, sondern die Mehrkosten für Bodenindikatoren oder abgesenkte Bordsteine in Kauf zu nehmen. So lassen sich mit geringem finanziellen Einsatz der Kommune leicht erhebliche Verbesserungen an der Gehwegfläche erreichen.[H BVA, 3.5]
Baustellen sind für alle Verkehrsteilnehmer lästig. Aber gerade für Kinder und mobilitätseingeschränkte Personen stellen schlecht geplante oder abgesicherte Baustellen ein großes Hindernis oder sogar ein Sicherheitsrisiko dar. Baustellen im Verkehrsraum sollten deshalb gründlich aus Fußgängersicht betrachtet werden, bevor sie genehmigt werden.
D. Rudolph
– 11. 3. 2024
[Foto Fußgängerschutztunnel: 4. 4. 2024]
©2024 StVU.info. All rights reserved.
Verkehrsrechtliche Hinweise: Bei den hier zu lesenden Erläuterungen und Vorschlägen handelt es sich um die privaten Interpretationen der Autoren. Andere Personen, insbesondere Juristen, können und werden die entsprechenden Vorschriften anders interpretieren. Jegliche Haftung wird deshalb ausgeschlossen.
Urheberrechtliche Hinweise: Die gezeigten Verkehrszeichen sind urheberrechtsfrei, ihre Abbildungen wurden wikipedia.org entnommen. Alle anderen Fotos und Texte sind urheberrechtlich geschützt. Möchten Sie Teile dieses Artikels mit anderen teilen oder auf Webseiten bzw. in Druckform verwenden, so ist dies möglich, oft auch honorarfrei. Sie müssen allerdings StVU.info vorab um Erlaubnis fragen.
Haben Sie Kommentare zu diesem Artikel, haben Sie eine Idee zu einer weiteren Folge oder möchten Sie selbst wider die Straßenverkehrsunordnung ankämpfen, so melden Sie sich unter redaktion@stvu.info.